ausstellung

Chagall

Bis 10. August 2025 ● Düsseldorf ● Kunstsammlung NRW – K20 

Der russisch-französische Maler Marc Chagall ist ein Ausnahmetalent der Moderne und zählt zu den wichtigsten Künstler:innen des 20. Jahrhunderts. Seine fantastisch-poetischen Bildwelten und deren Motive sind bis heute rätselhaft, deren leuchtend intensive Farbigkeit außergewöhnlich.
Mit 120 Gemälden und Papierarbeiten konzentriert sich die Ausstellung auf seine frühen Arbeiten. Deutlich zeigt sich hier neben den Einflüssen der Avantgarden auf das Werk Chagalls ein bislang wenig bekannter Aspekt des renommierten Künstlers – die gesellschaftskritische und bisweilen dunkle Seite seines Werks.

Marc Chagall kommt 1911 nach Paris. Wie viele seiner Künstlerkolleg:innen ist er mittellos, spricht kaum Französisch und ist überwältigt von der Modernität und Energie der Stadt. Anders als in anderen europäischen Ländern, wurden Juden in Frankreich ab dem Jahr 1791 als freie Bürger anerkannt. Das zog viele jüdische Künstler:innen nach Paris, um dort zu leben und zu arbeiten und sich frei in der Kunst auszudrücken. Dennoch waren sie im Alltag mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert.

Chagall findet, anders als die meisten Immigrant:innen, nach kurzer Zeit Zugang zu den Pariser Zirkeln der künstlerischen und literarischen Avantgarde und wird Teil einer eingeschworenen Freundesclique, die sich gegenseitig unterstützt.

Wie viele junge Künstler:innen experimentiert er mit den Stilen der westlichen Avantgarde. Er verbindet Fauvismus und Kubismus mit jüdischen Motiven und osteuropäischer Folklore. Daraus entspringt eine aus dem Erleben begründete surreale Motivwelt. Schwebende Menschen und Tiere, Geiger auf Dächern, Riesen, Winzlinge und Mischwesen bevölkern seine stets in überwältigender Farbigkeit gestalteten Kompositionen. Die fremden Welten, die Chagall entwirft, sind keineswegs nur poetisch aufgeladene Märchen, sondern enthalten scharfe Kritik an den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit.

Marc Chagall reflektiert zeitlebens seine Herkunft. In den frühen Werken thematisiert er die Kindheit und Jugend in der Begrenztheit des jüdischen Viertels in Witebsk. Die Kleinstadt mit ihren eng gedrängten Häusern und dem markanten Kirchturm ist ein oft verwendetes Motiv. Die Bilder erzählen Geschichten vom jüdischen Alltag, den Festen und Gebräuchen, von Liebe und Lust, aber auch Ritualmordbeschuldigungen und Pogromen, die Chagall 1905 in Witebsk erleben musste.

Durch die Heirat mit Bella Rosenfeld erhält Chagalls Kunst neue Impulse: Das Glück der Zweisamkeit wird zu einem zentralen Motiv. Zugleich greift er auf vertraute Themen zurück: Er malt die Eltern und Geschwister; in diversen Selbstporträts hinterfragt er seine Situation. Malerische Experimente wagt er nur bei Landschaften und Liebespaarmotiven.
Die Ausstellung präsentiert auch eine Reihe außergewöhnlicher Papierarbeiten, die zeigt, wie Chagall trotzdem über Jahre hinweg mit abstrakten Kompositionen experimentiert.

Fortan lässt sich bei Chagall kaum mehr eine chronologisch fassbare stilistische Entwicklung feststellen. Er wiederholt Bildmotive und Themen, schafft dafür neue Kontexte und greift mit der Anlehnung an ein Sujet auch auf frühere Stilstufen zurück.
Seinen herausragenden Status als Künstler hat er längst international manifestiert – durch zahlreiche Ausstellungen und Großaufträge für Glasfenster und Dekorationsarbeiten in Theater- und Opernhäusern. Auch in den späten Werken reagiert er sensibel auf gesellschaftliche Entwicklungen und das Weltgeschehen insgesamt. Witebsk und Paris werden zunehmend zu Sehnsuchtsorten und Christus, der gekreuzigte Jude, zum Sinnbild des Leidens. 

Ausgangspunkt und Anlass der Ausstellung sind drei Gemälde von Marc Chagall, die vor dem Ersten Weltkrieg in Paris entstanden sind und sich im Besitz der Kunstsammlung befinden. Es handelt sich um die Arbeiten Selbstbildnis, 1909, Der Geigenspieler, 1911-1914, und Rabbiner mit Zitrone (Festtag), 1914; alle drei Gemälde dürfen zu den frühen Hauptwerken des Künstlers gezählt werden.

kunstsammlung.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Marc Chagall, Russland, den Eseln und den Anderen, 1911, A la Russie, aux ânes et aux autres, Öl auf Leinwand, 157 x 122 cm, Centre Pompidou, Paris, Foto: MNAM-CCI, Dist.GrandPalaisRmn/Audrey Laurans, © VG Bild-Kunst Bonn 2024

2. Marc Chagall, Der große Zirkus, 1970, Bleistift und Gouache, 68 x 101 cm, ALBERTINA, Wien, Sammlung Batliner, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

3. Marc Chagall, Liebespaar mit rotem Hahn, 1956-1965, Les amoureux au coq rouge, Öl, Gouache, Tempera und Tinte auf Leinwand, 81 x 66 cm, Privatsammlung Deutschland, Courtesy Samuelis Baumgarte Galerie, © VG Bild-Kunst Bonn 2024

4. Marc Chagall, Die Lichter der Hochzeit, 1945, Les lumières du mariage, Öl auf Leinwand, 123 x 120 cm, Kunsthaus Zürich, Geschenk Nachlass Ernst Göhner, 1973, Foto: Kunsthaus Zürich, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

5. Marc Chagall, Selbstbildnis, 1914, Autoportrait, Öl auf Karton, auf Leinwand, 50,5 x 38 cm, Kunstmuseum Basel, Inv. Im 1081, Stiftung Im Obersteg, Depositum im Kunstmuseum Basel 2004, Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024