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Glückliche Tage

Bis 20. Oktober 2024 ● Bochum ● Museum unter Tage

Die Ausstellung Glückliche Tage lenkt den Blick auf eines der universellen Themen der Gegenwart. 11 Künstler:innen fragen nach den Bedingungen für das Glück in schwierigen Zeiten. Glück zählt zu den höchsten Zielen der Menschen, und doch lässt es sich weder erzwingen noch quantifizieren. Die insgesamt 30 Skulpturen, Installationen, Filme und Fotografien im Museum unter Tage und im Park von Haus Weitmar beschäftigen sich daher mit den Entscheidungen, Wertvorstellungen und Konstellationen, die das Glück begünstigen. Das können allgemeingültige Bilder von grenzenloser Freiheit sein, wie sie Felix Gonzalez- Torres mit seinen Reisepässen entworfen hat, die den Flug von Vögeln vor einem weiten Himmel zeigen. Oder es sind die Wünsche, die Besucher:innen der Ausstellung auf Bitte von Yoko Ono auf kleine Karten schreiben und in einen Baum hängen. Dort treffen sie auf andere Träume und Begehren und zeichnen ein vielstimmiges Bild der Sehnsucht und der Unzulänglichkeit. Denn Glück ist immer mit dem Mangel verbunden: Es lässt sich sprachgeschichtlich auf das Wort ge-lücken zurückführen und bezeichnet seit jeher ein Defizit, das ausgeglichen werden will.

Bei Johanna von Monkiewitsch sind es Filmaufnahmen von Sonnenlicht, die sie auf weiche, noch ungeformte Schaumstoffblöcke wirft. Die junge Fotografin Tamara Eckhardt hat sich über eine lange Zeit mit irischen Traveller-Familien getroffen und auf einem eigens für sie eingerichteten Halteplatz die Kinder von Carrowbrowne portraitiert. Ihre Bilder zeigen, wie fragil die Beziehungen innerhalb der Familien und damit auch die Chancen der Kinder sein können.

Der portugiesische Künstler Rui Chafes erinnert daran, dass jedes Glück abrupt zu einem Ende kommen kann, indem er riesige, überlebensgroße Krücken aus Stahl in den Museumsraum stellt. Am Ende des Gangs durch die Ausstellung erhellt die ikonische Leuchtschrift Glück den Ausstellungsraum, deren Typografie die Künstlerin Heike Weber aus ihrer eigenen Handschrift entwickelt hat. Wie Schicksalsfäden fallen die leuchtenden Enden in den Raum und erinnern daran, dass Lebensglück ein fragiles Etwas ist.

Barbara Hammers euphorische Filme aus den frühen 1970er Jahren feiern den Schritt heraus aus heteronormativen gesellschaftlichen Einschränkungen zur homosexuellen Selbstbefreiung. Ken Lum regt mit seiner großen Plakatwand am Eingang zum Park von Haus Weitmar ein Nachdenken über die Auswirkungen der Sprache auf das Glück an. Die Protagonistin seines Billboards stellt strahlend fest „I cant’t believe I am in Paris“, und die Spazierenden fragen sich, ob es sich nur um eine stereotype Redewendung des Glücks handelt, oder ob dahinter eine Energie sichtbar wird, mit der sich die Zukunft gestalten lässt.

Carsten Höllers Pill Clock lässt alle 3 Sekunden eine blau-weiße Pille in den Ausstellungsraum hineinfallen. Ein Wasserspender ermöglicht den Besucher:innen ihre Einnahme. Höller thematisiert auf diese Weise das Risiko, das ein Mensch bereit ist, einzugehen, um dem Glück womöglich ein Stück näher zu kommen.

Bei Nan Goldin löst es sich in einem Drama aus Exzess und Normalität, Hochstimmung und Vergänglichkeit auf. Ihre Fotografien erinnern daran, dass Glück in Beziehungen entsteht, wächst und auch wieder verschwindet. Der Soziologe Hartmut Rosa hat es als ein Wechselspiel von Menschen mit anderen Menschen und Dingen beschrieben, die in der Lage sind, Impulse auszusenden und produktiv zu verarbeiten. 

Die Künstler:innen der Ausstellung teilen mit den Besuchenden ihre Erinnerungen wie Stefan Wissel, der eine ganze Reihe von Cafétischen in eigenwillige Halterungen spannt und im Museumsraum verteilt. Er weist uns darauf hin, dass Glück sehr häufig eine Vorstellung ist, die wir mit Geschehnissen in der Vergangenheit verbinden und die einen großen Einfluss auf unsere Gegenwart ausüben. 

situation-kunst.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Tamara Eckhardt (* 1995 in Kirchzarten, lebt in Berlin)
Portrait von Bradley, Carrowbrowne Halting Site, Galway, 2019, aus der Serie: The Children of
Carrowbrowne, 2019/2020, Fotografie auf Hahnemühle Baryta Satin Papier, 50 x 40 cm
Im Besitz der Künstlerin; © 2024 Tamara Eckhardt

2. Felix Gonzalez-Torres (Guáimaro, Kuba 1957–1996 Miami)
„Untitled“ (Passport #II), 1993, Offsetdruck auf Papier, zu Booklets gebunden,
je 12 Seiten, 15,2 × 10,2 cm, gesamt: 20,3 cm (ideale Höhe) × 76,2 × 61 cm; Ausstellungsansicht Felix
Gonzalez-Torres: Travels; Travel #2, Galerie Jennifer Flay, Paris 1993
Sammlung Goetz, München, © Estate Felix Gonzalez-Torres, Courtesy Felix Gonzalez-Torres
Foundation

3. Heike Weber (* 1962 in Siegen, lebt in Köln)
Glück, 2014, 5 Lichtschläuche à 50 m auf Stahlkonstruktion, 290 x 145 cm
Im Besitz der Künstlerin, © 2024 VG Bild-Kunst, Bonn; Foto: Henning Rogge, Hamburg

4. Carsten Höller (*1961 in Brüssel, lebt in Stockholm)
Pill Clock (blue and white pills), 2015; Gelatinekapseln, Placebo, mechanischer Fallmechanismus,
Steuereinheit, Holzbox, Wasserspender; Container mit integriertem Fallmechanismus: 52 × 33,5 × 40
cm, gesamt: 413 × 36,5 × 43 cm
© 2024 VG Bild-Kunst, Bonn; Foto: Attilio Maranzano

5. Stefan Wissel (*1960 in Hamburg, lebt in Düsseldorf)
Eternal Cab, 2018, pulverbeschichteter Stahl, Scooter (Chassis), Messingglocke, 270 × 230 × 50 cm
Kunstpalast, Düsseldorf – Schenkung Florian Peters-Messer, © 2024 Stefan Wissel; Foto: Achim
Kukulies

6. Arne Rautenberg (*1967 in Kiel, lebt ebendort)
Direktiven und Maximen, 2020–2023, Aquarell-Handschrift, 21 × 27 cm
Im Besitz des Künstlers, © 2024 VG Bild-Kunst, Bonn