ausstellung
WE – Der Körper als Zeichen
Bis 07. September 2025 ● Mülheim an der Ruhr ● Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Die Ausstellung „WE. Der Körper als Zeichen“ beschäftigt sich mit den unterschiedlichsten Facetten, die der menschliche Körper im Hinblick auf das Selbstverständnis ebenso wie in Beziehung zur Gesellschaft annehmen kann. In den Kunstwerken wird ein motivischer Bogen vom Bild des Körpers über das Selbstbild bis hin zum gesellschaftlichen Spiegelbild gespannt.
Der Körper ist in unserem Leben immer präsent, vom ersten bis zum letzten Atemzug ist das menschliche Sein an den Körper gebunden, er ist das Behältnis unserer Seele. In ihn schreiben sich sowohl unsere individuellen Erfahrungen wie auch gesellschaftliche Regeln ein, die als Spuren sozialer Normen, Reglementierungen und kultureller Ideale durch den Körper sichtbar werden. Er ist Zeichen von Zugehörigkeit wie auch Träger von Geschichte und Herkunft.
Die Fragen, wer wir sind, woher wir kommen und was uns ausmacht beziehungsweise definiert, sind an Körperlichkeit gebunden. Unsere DNA, die uns nur durch wenige Varianten der einzelnen Bausteine von der Tierwelt trennt, befindet sich in jeder Zelle unseres Körpers und gibt Auskunft über unsere Entwicklung und die tierische Verwandtschaft. Blut betont nicht nur als Metapher die engen Verbindungen zwischen den Menschen. In der christlichen Schöpfungsgeschichte geht Eva aus der Rippe Adams, einem Teil seines Körpers hervor. Der Sündenfall, die Versuchung und Verführung sind an die Geschlechtlichkeit des Körpers gebunden. Eva greift zum Apfel.
In diesem Sinne wird der Körper auch zu einem „Kampfgebiet“, auf dem sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ideen und Haltungen gegenüberstehen und miteinander streiten. Er ist Ort des Widerstands und der Verletzung, ebenso wie er ein Ort des Wissens, der Macht und der Machtlosigkeit ist. Er formuliert unsere Identität, die des/der Einzelnen und die der Gruppe und Gesellschaft. So werden in den Kunstwerken die Körper und/oder die Körperfragmente zu bedeutungstragenden Symbolen, sie signifizieren etwas, das es zu lesen und zu interpretieren gilt.
Der Körper wird zum Material des Ausdrucks von Emotionen und existenziellen Fragen, zum Gefäß spiritueller Erfahrungen, Körperpraktiken und asketischer Negation – nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern auch als politisches Instrument. Leidenschaften schreiben sich in den Körper ein, er spiegelt sowohl die inneren Kämpfe als auch die öffentlichen Repräsentationen. Als komplex aufgeladenes Gebilde transportiert er religiöse und ethnische, politische und gesellschaftliche Überzeugungen und Praktiken von Körperlichkeit und Körperverhalten. Hier wird der Körper zum gelebten Zeichen für eine spirituelle oder rituelle, für eine disziplinarische oder politische Praxis.
Der Blick auf den Körper wird zum Machtinstrument, die Art und Weise, wie wir gesehen werden oder gesehen werden wollen, spiegelt Machtverhältnisse und soziale Hierarchien, Disziplinierung und Kontrolle, Stigmatisierung und Kolonialisierung wider. Der Blick auf und die Berührung des Körpers sind Instrumente der Formung desselben. Wie der Blick ist auch die Berührung gesellschaftlichen Normen unterworfen, die durch kulturelle Kontexte beeinflusst werden. Blicke und Berührungen können angemessen oder auch tabu, ein Mittel der Macht und der Kontrolle oder auch der Heilung und Fürsorge sein. Der Blick ist ebenso wie Berührung eine Form der Politik des Körpers. Sie fragen danach, wie wir uns verhalten und verbinden oder trennen die Körper. Beide haben Einfluss auf die Konstruktion und Wahrnehmung der eigenen Identität, die Haut wird dabei zur Membran, zur Grenze und Schnittstelle des Körperbewusstseins, von dem, was wir selbst und was die anderen sind.
Geschlechteridentitäten und soziale Rollen, Status, Körpersprache, Mode und Kleidung, mediale Repräsentationen, Selbstpräsentation, medizinische Eingriffe, Alterung und Krankheit, Normen und Ideale, ethische und politische Dimensionen, Machtverhältnisse, Widerstand und Rebellion – der Körper dient als vielseitiges und bedeutungsvolles Zeichen, das tief in kulturelle, soziale und individuelle Kontexte eingebettet ist.
Die Kunstwerke in der Ausstellung, die um die verschiedenen Facetten des Körpers kreisen, kommunizieren eine Vielzahl von Bedeutungen und Botschaften, die sowohl das individuelle, persönliche Selbstverständnis als auch die soziale Dimension und Interaktion betreffen. Zugleich denken sie aber auch medial über die Darstellungsformen des Körpers nach.
Körperliche Präsenz als Protest, Körperakte und körperliche Veränderungen – Operationen, Tätowierungen, rituelle Handlungen, Digitalisierung des Körpers –, Rechte und körperliche Selbstbestimmung, Erinnerungen, Geschlechter- und Identitätsfragen... all diese Themen berührt die Ausstellung und zeigt damit, dass der Körper nicht nur biologisch konstruiert, sondern auch sozial und kulturell und durch gesellschaftliche Diskurse geprägt ist. Er wird durch Machtstrukturen, Normen und Narrative geformt und beeinflusst, was zu einer tiefen Verflechtung von Körper, Wissen und Macht führt. Deutlich wird hierbei, dass der Körper nicht nur Individualität bedeutet, sondern immer auch Teil einer Gruppe, Gesellschaft und Community und damit ein Teil des „WIR“ ist, dass uns grundlegend als soziale Wesen verbindet und den Körper im Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Individualität und Gesellschaft sieht. Die Ausstellung folgt in den unterschiedlichen künstlerischen Manifestationen den individuellen Spuren dieses komplexen WE/WIR.
Bildunterschriften und /-nachweise:
1. Aria Watson "#SignedByTrump No. 5" 2016/2017 Digitaler Pigmentdruck, Courtesy of Galerie Julian Sander, Köln © Aria Watson 2025
2. Andrea Bowers "Beloved Community (Quote by Martin Luther King, Jr)" 2023 Neon Courtesy the artist and Capitain Petzel, Berlin © Andrea Bowers/VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Gunter Lepkowski
3. Sophia Süßmilch "Allein machen sie dich ein" 2022 C-Print, Courtesy of the artist and MARTINETZ, Cologne © Sophia Süßmilch
4. Loredana Nemes "Distorsion 18" 2011 C-print, Courtesy Galerie Springer © Foto: Loredana Nemes
5. Anna Uddenberg "Focus (Padded Purpose)" 2019 Acrylharz, Fiberglas, Netzgewebe, Leder, Vinylgewebe, Boxhelm, Overknee-Stiefel, verchromtes Metall, Mountainbike-Helm, Pufferjacke, Barhocker VENUS, Kunsthaar © Anna Uddenberg, Foto: Staatsgalerie Stuttgart
6. Gregory Bojorquez "Wolf and Druck" 2000 Silbergelatine-Print, Courtesy Galerie Bene Taschen © Gregory Bojorquez